Die Schweizer Photovoltaik-Branche schaut auf einen beispiellosen Aufschwung zurück. Zwischen 2019 und 2023 hat die neu installierte Leistung jährlich zwischen 43 und 58 Prozent zugenommen. Solarenergie deckt heute über 10 Prozent des Stromverbrauchs hierzulande und entwickelt sich zu einem zentralen Pfeiler der Energieversorgung. Im Hinblick auf eine sichere und klimaverträgliche Energieversorgung ist die rasante Entwicklung von grossem Wert. Doch bringt dieser Boom auch Herausforderungen mit sich: für alle Beteiligten im Strommarkt – und insbesondere für die Solarbranche selbst.
Die Solarbranche ist geprägt von starken Veränderungen. Auch das vergangene Jahr war in dieser Hinsicht keine Ausnahme: dramatische Preisrückgänge bei Solarmodulen, Preisdruck bei Wechselrichtern und Speichern sowie ein verhaltenes Wachstum im Schweizer Markt stellten die Branche vor grosse Herausforderungen. Das Wachstum hat sich im Vergleich zu den letzten vier Jahren stark abgeschwächt und liegt im Vergleich zum Vorjahr noch bei rund zehn Prozent. Insgesamt wurden im 2024 Anlagen mit einer Leistung von 1,78 GW zugebaut, was einem Viertel der Stromproduktion der beiden Atomkraftwerke in Beznau entspricht.
Das jährliche Wachstum der Solarbranche von mehr als 40 Prozent in den letzten Jahren wurde unter anderem durch signifikante Kostenreduktionen bei PV-Modulen und anderen Materialien ermöglicht, die für die Installation von PV-Anlagen verwendet werden. Die Grafik rechts zeigt die Kostenentwicklung von PV-Modulen auf dem Weltmarkt. Es wird deutlich, dass die Preise für Solarpanels in den letzten Jahrzehnten sehr stark gesunken sind. Dies auch dank der steigenden Anzahl Installationen. So sind die Kosten für Solarpanels mit jeder Verdoppelung des installierten Marktvolumens um 20 Prozent gesunken.
Im letzten Jahr wurde jedoch ein deutlicher Preisrückgang festgestellt. Seit Jahresbeginn 2024 sind die Marktpreise je nach PVModultyp zwischen 21 und 40 Prozent eingebrochen. Ursachen für den Preisverfall sind zum einen die enormen Produktionskapazitäten. Nach den Jahren der Lieferengpässen wurden die Produktionskapazitäten in den «Boom-Jahren» international stark ausgebaut, um der weltweiten Nachfrage gerecht zu werden. Mittlerweile übersteigt jedoch die produzierte Menge die globale Nachfrage um mehr als das Doppelte. Dies führte zu einem drastischen Preisverfall.
Quelle: Swissolar / Solarmonitor Schweiz 2024
Im Geschäftsjahr 2023 betrug der Gesamtumsatz der Schweizer Solarbranche rund 3,3 Milliarden Franken. Unter dem Szenario von 28,3 TWh Solarstrom in den nächsten zehn Jahren wird der Gesamtumsatz für das Jahr 2035 auf 6,1 Milliarden Franken geschätzt. In den Prognoseberechnungen sind ein Prozent Inflation pro Jahr sowie die Entwicklung der Lohnkosten eingerechnet. Von den 3,3 Milliarden Franken 2023 entfielen rund 44 Prozent auf Arbeitskosten, ein Anteil, der in den kommenden Jahren weiter steigen dürfte. Die Modulpreise machen durchschnittlich einen Fünftel der Kosten für die Installation von PV-Anlagen aus. Der Gesamtumsatz umfasst mit wenigen Ausnahmen sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette, die in der Schweiz ausgeführt werden. Quelle: Swissolar / Solarmonitor Schweiz 2024
Ein weiterer Faktor für diesen Preisverfall ist die US-Handelspolitik, die chinesischen Produkten den Marktzugang erschwert. Dadurch werden noch mehr Solarmodule nach Europa geliefert, wo sie auf einen derzeit schwächelnden Markt treffen. Nach Meinung von Fachleuten werden die Preise jedoch langfristig wieder anziehen. Bereits jetzt sei erkennbar, dass durch zusätzliche Zölle und staatliche Eingriffe in China die Produktionskapazitäten reguliert werden, um dies zu beschleunigen. Besonders europäische Hersteller leiden unter der aktuellen Situation.
Die Preisrückgänge bei den Materialien zeigen sich nicht nur bei Solarmodulen, auch Wechselrichter und Speichersysteme stehen unter starkem Preisdruck. Bei den Speicherlösungen sorgt die gestiegene Produktionskapazität für sinkende Herstellungskosten, von denen nun auch Endkunden stationärer Batteriesysteme profitieren. Bei Wechselrichtern macht sich hingegen ein anderer Effekt bemerkbar: Aufgrund hoher Lagerbestände bei vielen Installationsunternehmen führte die erhöhte Produktion zu einem gesättigten Markt, welcher den Absatz erschwerte. Obwohl der Schweizer Photovoltaikmarkt 2024 gewachsen ist, blieb der Absatz von Wechselrichtern hinter diesem Wachstum zurück. Die Dominanz asiatischer Hersteller hat sich weiter verstärkt und erhöht den Preisdruck zusätzlich. Für europäische Hersteller wird es eine grosse Herausforderung sein, preislich und technologisch mit dem Markt Schritt zu halten.
Im Juni 2024 haben die Schweizer Stimmberechtigten mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 68 Prozent das neue Stromgesetz deutlich gutgeheissen – ein klares Signal für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Seit dem 1. Januar 2025 sind mit der Änderung des Energiegesetzes und der Energieförderungsverordnung neue Förderinstrumente für erneuerbare Energien in Kraft getreten. Diese Gesetzesrevision soll die Rahmenbedingungen insbesondere für Photovoltaikanlagen deutlich verbessern und den Ausbau von erneuerbarer Energie in der Schweiz weiter vorantreiben. Die geplanten Anpassungen bei der Einmalvergütung, wie die Erhöhung des Neigungswinkelbonus und die Einführung des Parkplatzbonus ab Januar 2025, werden die Attraktivität von Fassaden-PV-Anlagen und PV-Anlagen auf Infrastrukturen deutlich steigern. Dadurch ist zu erwarten, dass die Installation solcher Anlagen weiter zunehmen wird. Zudem wird das neue Raumplanungsgesetz, das voraussichtlich im Juli 2025 in Kraft treten wird, in vielen Fällen ein vereinfachtes Meldeverfahren für Fassaden-PVAnlagen ermöglichen.
Das neue Stromgesetz schafft erweiterte Möglichkeiten für den Verkauf von Solarstrom an benachbarte Gebäude. Dies geschieht zum einen durch die Erweiterung der bisher bestehenden Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) auf virtuelle ZEV (ab 2025), bei denen die Anschlussleitungen zum Verteilnetz für den Eigenverbrauch genutzt werden und die Messdaten mehrerer Stromzähler virtuell zusammengefasst werden können. Die Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) werden es ab 2026 zusätzlich erlauben, zur Belieferung mit Solarstrom in der gleichen Gemeinde das öffentliche Stromnetz zu einem reduzierten Netzentgelt zu nutzen. Diese Massnahmen setzen neue Anreize für den Bau grösserer PV-Anlagen und unterstützen gleichzeitig die Entlastung der Verteilnetze.
In den vergangenen drei Jahren haben hohe Strompreise und attraktive Abnahmevergütungen zu starken Anreizen für den Bau von Solaranlagen auf unterschiedlichsten Gebäudetypen geführt. Aufgrund sinkender Strompreise, insbesondere im Sommer, und neue Regelungen für die Abnahmevergütungen, wird der Fokus künftig, um die Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen sicherzustellen, vermehrt auf dem Eigenverbrauch liegen. LEG, (virtuelle) ZEV und Batteriespeicher bieten hierfür eine wertvolle Grundlage. Deren Wirkung hängt jedoch stark von der Ausgestaltung der Verordnungen ab. Hingegen sinkt durch die tieferen Strompreise sowie die variablen Tarife tendenziell auch der Wert des Eigenverbrauchs.
Stationäre Batteriespeicher werden stark an Bedeutung gewinnen. Dank dieser Systeme kann die Netzeinspeisung von Solarstrom in Spitzenzeiten vermieden und der Eigenverbrauch zusätzlich erhöht werden. Unterstützt wird dieser Trend durch die immer attraktiver werdenden Preise für Batteriespeicher. Sobald sich auch das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen durchsetzt, wird die Kombination von E-Mobilität und Solarstrom für zusätzliche Dynamik im Markt sorgen.
In beinahe allen Schweizer Kantonen besteht für Neubauten eine Pflicht zur Eigenstromerzeugung, was in den meisten Fällen zur Installation einer PV-Anlage führt. Diese Vorgabe wurde mit den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) eingeführt. Mit diesen Vorschriften, die von den Kantonen bis 2030 umgesetzt werden sollen, wird diese Pflicht weiter verschärft: Einerseits werden die erforderlichen Leistungen auf 20 Watt pro Quadratmeter Energiebezugsfläche verdoppelt, andererseits wird eine Pflicht zur Eigenstromerzeugung auch bei Dachumbauten mit 10 W/m² Energiebezugsfläche eingeführt. Einzelne Kantone haben ähnliche Gesetzesanpassungen bereits vorgenommen.
In seiner Sitzung vom 19. Februar 2025 hat der Bundesrat das zweite Verordnungspaket zum Stromgesetz verabschiedet und endlich Klarheit geschaffen, wie dieses umgesetzt werden soll. Damit sind die neuen Rahmenbedingungen nun festgelegt, sodass die Instrumente in die Planungen integriert und genutzt werden können. Im Vergleich zu den ursprünglichen Verordnungen wurden einige Anliegen der Solarbranche zumindest teilweise berücksichtigt. Besonders die Regelungen für lokale Elektrizitätsgemeinschaften wurden angepasst und bessere Bedingungen für deren Umsetzung geschaffen. Im Fokus stehen weiterhin die Minimalvergütung für Solarstrom, die Entlastung von Batteriespeichern bei Netzentgelten sowie flexiblere Einspeiseregeln. Diese Massnahmen sollen den Ausbau der Photovoltaik gezielt vorantreiben und Investitionssicherheit schaffen. Die neuen Regelungen treten am 1. Januar 2026 in Kraft.
Was einst als Nischenprodukt galt, hat sich zu einer bedeutenden Energiequelle entwickelt. Der Anteil des Stroms durch Photovoltaik ist in den vergangenen Jahren enorm angestiegen: 2024 lieferte Solarstrom erstmals über 10 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs. Im August 2024 konnte sogar 20 Prozent des Strom-Endverbrauchs durch Solarstrom gedeckt werden. Der Grossteil der jetzt installierten Anlagen wurde in den letzten 4 Jahren ausgebaut. Quelle: Swissolar / Solarmonitor Schweiz 2024
Swissolar rechnet damit, dass es 2025 und 2026 voraussichtlich zu einem leichten Rückgang der neu installierten Leistung kommt, bis die letzten Unsicherheiten rund um die Einführung des neuen Stromgesetzes behoben sind. Danach werden die neuen Regelungen des Stromgesetzes ihre volle Wirkung entfalten und dadurch voraussichtlich ein weiteres Marktwachstum auslösen. Marktkenner gehen weiter davon aus, dass bei den niedrigen Stromrückliefertarifen zunehmend Speichersysteme zum Einsatz kommen. Dies wird nicht nur Einfamilienhäuser betreffen, sondern auch industrielle Speichersysteme, die immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Ab 2029 dürfte sich der jährliche Zuwachs von Schweizer Solarstrom bei etwa 2,1 TWh einpendeln und die Vielfalt an Anlagetypen wird zunehmen. Neben den klassischen Dachinstallationen werden vermehrt neue Anwendungen zum Einsatz kommen, wie etwa an Fassaden, auf Infrastrukturen oder in Kombination mit landwirtschaftlichen Kulturen. Die jährliche Stromproduktion unter diesen Voraussetzungen führt dazu, dass im Jahr 2035 mehr als 28 TWh Solarstrom produziert wird. Dies entspricht knapp 50 Prozent des heutigen Strom-Endverbrauchs.
Quellen: Bundesamt für Energie (BFE), Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Swissolar, Solarmarkt GmbH, Pronovo AG, lokalerstrom.ch